Schleichweg zur Namens- und Personenstandsänderung?

14.10.2019

Schleichweg: Doch noch offen?

Die folgenden Überlegungen wurden beim „Runden Tisch“ der Antidiskriminierungsstelle laut:

(Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung, Oranienstr. 106, 10969 Berlin, Telefon +49 (0)30 9028 1876, -1791, www.berlin.de/lads) (Quelle: Schwulenberatung Niebuhrstr.)

Entgegen anders lautenden Gerüchten hat die Seehofer-Anweisung keinen Gesetzesrang und ist juristisch angreifbar. Es kann sich also lohnen, trotzdem Anträge zu stellen und bei Ablehnung zu widersprechen.

Der Schrieb mit „Variante der Geschlechtsentwicklung“ hat auszureichen. Die Standesbeamten sind nicht befugt, Näheres zu erfragen. (Sie sind sowieso nicht sachkundig.)

Es besteht die freie Wahl des Geschlechts. Also auch von „m“ nach „w“ oder umgekehrt.

Der Schrieb muss nicht von einem Psychiater sein. (Das wurde in .. ich glaube Pankow .. gefordert.) Hausarzt reicht.

Was eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ ist, bleibt weiter unklar – was Wunder, Seehofer kann nicht klüger sein als die Fachleute, die immer noch keine letztgültige Erklärung haben (können).

„Missbrauch“ dieser Regelung ist folglich ebenfalls nicht definiert. Was ist denn nun die Abgrenzung von Inter und Trans? In dem Gesetz und Seehofers Bestimmung ist nichts klar. Auch wenn die Definitionen klar wären, wäre das Verfahren angreifbar. Trans*leut sind benachteiligt, weil sie einen teuren Umweg nehmen müssen, um ein Recht zu bekommen, das ihnen zusteht: die freie Wahl des Personenstands. Also Diskriminierung.

Die nachfolgenden Texte nur aus historischen Gründen!

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18.4.2019  (veraltet!)

Nun ja – Dieser Weg scheint jetzt verbaut zu sein.

Wie aus für gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautet, ist die erwartete Maßregelung erfolgt.

Auf Intervention einiger Fachleute (u.a. Dr. Bosinski und Prof. Beyer) soll das Seehofer-Ministerium neue Richtlinien an die Standesämter herausgegeben haben, nach denen jetzt festzustellen sei, dass es sich bei der „Variante der Geschlechtsentwicklung“ um Intersexualität handelt. Einige Standesämter richten sich bereits danach und nehmen keine Anträge ohne diesen Nachweis mehr an.

Es soll auch Fälle gegeben haben, in denen z.B. Krankenkassen die Namensänderung nicht akzeptiert haben, weil zwar die Geburtsurkunde geändert war, aber kein Gerichtsbeschluss vorlag.

Jetzt bleibt also doch nur der bisherige Weg zum Amtsgericht, mit zwei Gutachten – bis das „Transsexuellengesetz“ novelliert ist.

Den nachfolgenden Text lasse ich jetzt nur noch zur Information im Netz – aus historischen Gründen.

Kommentar der „Siegessäule“

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25.2.2019  (veraltet)

Das neue Gesetz zum Geschlechtseintrag im Geburtenregister ist (Seehofer sei Dank) so unausgereift, dass sich gerade herum spricht, man könnte schnell und unbürokratisch den Geschlechtseintrag und sogar den Vornamen ändern. Als Geschlecht gilt m, w, divers oder ohne Eintrag.

Gesetz der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben

Kommentar vom Lesben- und Schwulenverband

Demnach reicht es, sich von irgendeiner/m Arzt/Ärztin bescheinigen zu lassen, dass eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt. Was das ist, hat Seehofer nicht definiert. Es kann Trans-, Inter-, Homo-, Bi- oder sonstwas sein, der Arzt braucht das nicht näher auszuführen. Also etwa „Herr Sowieso ist bei mir wegen einer Variante der Geschlechtsentwicklung in Behandlung“, das reicht. Damit geht man zum Standesamt bzw. Bürgeramt, füllt ein Formular aus, zahlt eine geringe Gebühr – das war´s . Das Standesamt hat keine weiteren Fragen zu stellen. Und dann kann man sich einen neuen Personalausweis holen.

Was nützt es? Man kann also den langen und teuren Weg über das Amtsgericht umgehen. Der neue Name und Eintrag ist gültig.

Nicht geregelt ist, ob auch die Geburtsurkunde geändert wird (wichtig, wenn man z.B. heiratet), ob für Schule, Ausbildung etc. die Pflicht besteht, die Zeugnisse entsprechend zu ändern (damit sie auf den neuen, „richtigen“ Namen lauten), oder die Rentenversicherungsnummer, Bankkarte oder Krankenkassenkarte – da kann es immer noch passieren, dass der Amtsgerichtsbeschluss verlangt wird.

Außerdem ist offen, ob das auf diesem Weg das Offenbarungsgebot aus dem Transsexuellengesetz gilt: „dürfen die zur Zeit der Entscheidung geführten Vornamen ohne Zustimmung des Antragstellers nicht offenbart oder ausgeforscht werden..“ Auf Zwangsouting steht zwar nicht direkt eine Strafe, man kann aber auf Unterlassung mit Zwngsgeld klagen.

Noch ein entscheidender Nachteil. Wer Trans* ist, will vielleicht eine Operation. Oder auch nur Epilation, Logopädie…  Damit der Medizinische Dienst der Krankenkasse die Kostenerstattung bewilligt, sind wieder (wie beim Amtsgericht) Gutachten nötig, angereichert um Angaben, welche Maßnahmen geplant sind und warum. Bisher gab es dieses MDK-Gutachten meist als Zugabe zum Namensänderungsgutachten, und wer Prozesskostenhilfe bekam, musste nichts weiter zahlen. Wer die Abkürzung nimmt, muss nun den Gutachter selbst bezahlen.

Die Frage ist, wie lange dieser Weg noch möglich ist. Früher oder später wird der Staat entdecken, dass hier das alte Transsexuellengesetz umgangen werden kann, und dann wird die „Variante der Geschlechtsentwicklung“ definiert. Wer also diesen „kleinen“ Weg nehmen möchte, sollte sich beeilen.