Kennen Sie die Berliner Krankheit?

Manche Leute behaupten, sie müsste Frankfurter oder Bielefelder Krankheit heißen. Egal. Sie ist weit verbreitet. Fängt so an: Schon depressiv, weil sie unter ihrem Chef leidet, versucht Erna ihn zu beschwichtigen, indem sie mehr und besser arbeitet. Aber, ach, sie kann schlecht schlafen, und abends Seifenoper kucken hilft auch nicht. Also Glückspille nehmen, zur Arbeit gehen und sich noch mehr Mühe geben.

Das funktioniert auch bei Freiberuflern, speziell wenn der Laden nicht läuft, und gern in sozialen Berufen („hilflose Helfer“). Endet immer im Sanatorium. Wenn Erna noch nicht zusammen geklappt ist, nenne ich das „Angst und Depression gemischt“. Noch mehr Angst heißt dann „Burnout“. Das steht zwar auch im Verzeichnis der erlaubten Krankheiten  (ICD10), aber versteckt, ganz weit hinten unter Z., neben chronischer Müdigkeit, als ob es nur ein Problem der Körpersäfte wäre. Wird meist mit Glückspillen kuriert.

Das hier stehende passende Gedicht habe ich leider löschen müssen.  Allgemein hieß es, es wäre von Ringelnatz. Aber anscheinend hat es ein gewisser Herr Goertz 1991 veröffentlicht, und jetzt will mich ein Abmahnschmarotzer deswegen erpressen. Aber da kennt er mich schlecht.

Also tue ich, was zu tun ist. Einstweilen widme ich dieses schöne Gedicht Herrn Goertz, der es hoffentlich erbaulich findet:

So ist es Sitte hierzulande:
bringst nur Arbeit hier zustande.
Kannst nicht an den Blumen riechen,
musst immer auf die Arbeit kriechen.
Und wenn du in die Grube störzt,
hast du dein Leben stark vergoertzt.
Und solltest du Humor verspüren,
dann denke nur an die Gebühren
und die Tantiemen, und dich friert,
wenn irgendjemand dich zitiert,
dann mahn ihn ab und halt ihn auf,
dass niemand mehr dein Büchlein kauf.
Dann kriegst du zwar kein Honorar,
doch hoffentlich, da wird dir klar,
du kannst kein Lachen mehr entdecken,
denn es bleibt im Halse stecken.
Kannst es auch nicht mehr verkaufen,
hast vor Geldgier dich verlaufen.

Und was ist draus geworden?

Ich hab mir einen Rechtsanwalt genommen. (Man findet ihn, wenn man im Internet „Goertz“ und den Namen des Abmahnmenschen eingibt.) Er hat dem A. einen Brief geschrieben und eine Rechnung für illegale Abmahnung, und der A. hat nichts mehr von sich hören lassen. Ich werde ihn wohl abmahnen müssen.